Once more with Feeling: Editors im Wiesbadener Schlachthof

by - November 04, 2013


Nanu, schon wieder ein Editors-Bericht? Tatsächlich war der zweite Konzertbesuch bei der Band innerhalb eines Monats eher ein Unfall, da ich die Karte geschenkt bekam. Das Angebot, die Tickets für den ausverkauften Auftritt weiter zu verkaufen und andere zu besorgen, schlug ich dann aber aus. Das Konzert in Wien hatte mich daran erinnert, wie sehr ich viele Editors-Songs mag. Darüber hinaus hatte mein Genuss des Wien-Auftritts ja sehr unter der übergroßen Begeisterung der Jugendlichen um mich herum gelitten, so dass ich mich darauf freute, das Ganze noch einmal mit weniger Störfaktoren genießen zu können.


Den Wiesbadener Schlachthof hatte ich seit seiner Renovierung nicht mehr von innen gesehen und stellte bei der Ankunft erfreut fest, dass er irgendwie geräumiger geworden war. Ich erinnere mich an Konzerte in der Vergangenheit, während denen ich relativ weit hinten in einem Engpass vor der Bar gefangen war, das passiert in Zukunft sicherlich nicht mehr, denn der Raum vor der Bühne scheint jetzt breiter zu sein. 


Die Vorband war auch an diesem Abend Balthazar aus Belgien. Während mich der Wiener Auftritt vor den Editors so gar nicht hatte beeindrucken können, erinnerte ich mich nun schon an einige Songs und fand diese auch (möglicherweise deshalb) besser. "Fifteen Floors", bei dem alle Bandmitglieder unheimlich viel Text zu einer sehr repetitiven Melodie singen, ist und bleibt allerdings nervig. Beim wieder als letztes gespielten "Blood Like Wine" mit seinem einprägsamen "raise your glass"-Refrain zeigte sich allerdings auch, dass dieser Konzertabend eher nicht unter übergroßem Fan-Engagement leiden werden würde: Während in Wien schon von fast zu Beginn des Songs die Plastikbecher des Publikums zu dieser Textzeile emporgehoben worden waren, passierte das in Wiesbaden selbst am Ende nur sehr, sehr vereinzelt.


Setliste:

Later 
Sinking Ship 
Fifteen Floors 
Listen Up 
Lion's Mouth (Daniel)
Do Not Claim Them Anymore 
Blood Like Wine 


Die Editors spielen bei ihrer gegenwärtigen Tournee immer dieselbe Setliste, insofern war hier nicht mit Überraschungen zu rechnen, und tatsächlich begann ihr Auftritt auch an diesem Abend mit "Sugar". Zuerst dachte ich, die Band sei heute Abend nicht vollzählig erschienen, aber dann wurde mir klar, dass sich im dichten Bühnennebel noch einige Musiker versteckt hatten. Die Sicht auf die Band sollte für das ganze Konzert nicht sonderlich klar werden.


Anders war an diesem Abend definitiv das Publikum. Wie sich bereits bei Balthazar  abgezeichnet hatte, litt dieses Konzert keineswegs unter übergroßem Enthusiasmus auf der Publikumsseite. Gerade in meiner direkten Umgebung standen einige selbst aus meiner greisenhaften Perspektive ältere Konzertbesucher, die den Auftritt eher stoisch über sich ergehen ließen und sich auch kaum zu einem Applausklatschen hinreißen ließen. Das machte den Genuss wiederum etwas schwierig - anscheinend ist es sehr komplex, die Umgebungsbegeisterung für meinen Geschmack richtig zu dosieren. Während sich in Wien das Publikum beispielsweise bei "Smokers outside the hospital doors" laut mitsingend in den Armen lag, schien in Wiesbaden in meiner Nachbarschaft kaum jemand den Song zu kennen.


Von der Bühne her blieben die meisten Vorgänge gleich - Tom Smiths Klavierklettereien etwa fielen sehr ähnlich und zu demselben Lied ("Eat raw meat = blood drool") aus, wie wir es bereits gesehen hatten - allerdings blieben die Mitklatschanimationen der Bandmitglieder dieses Mal weitgehend aus. Ob das daran lag, dass man sie im Nebel ohnehin nicht gut gesehen hätte oder daran, dass man sich keinen Erfolg versprach, kann ich nicht sagen. Wieder waren alle Musiker in schwarz gekleidet und ich fragte mich kurz, ob Tom Smith möglicherweise eine Tourneegarderobe hat, die aus zwanzig schwarzen T-Shirts und ebenso vielen schwarzen Jeans besteht.


Eine musikalische Überraschung hatte der Abend dann aber doch noch für uns zu bieten: Nachdem Smith zur Akustikgitarre "The phone book" vorgetragen hatte, erklärte er, er müsse nun einen Song für den morgigen Auftritt in Belgien üben, da er ihn normalerweise zu schnell spiele. Es folgte das sehr schöne "No sound but the wind", das wir in Wien nicht gehört hatten. Ich fragte mich nach dieser Ankündigung kurz, ob die Tatsache, dass vor dem zahlenden Wiesbadener Publikum ein Song "geprobt" wurde, damit er für die Belgier am kommenden Abend richtig sitzt, nicht vielleicht als Beleidigung zu verstehen sei. Inzwischen habe ich gelesen, dass "No sound but the wind" in Belgien - und sonst nirgendwo - eine Nummer-1-Single war, was mich diese Anmerkung verstehen lässt. Insgesamt gefielen mir diese ruhigen Passagen des Konzertabends am besten - sicherlich, weil ich sie in Wien nicht so recht hatte genießen können.

Der Rest des Abends, inklusive der Zugaben, folgte dann wieder dem bereits bekannten Muster, wobei ich in Wiesbaden den Eindruck hatte, dass die gothic-inspirierte Synthesizer-Single "Papillon" hier von allen Songs am besten ankam.


Während wir bereits in Wien gesehen hatten, dass die Bühnenarbeiter nach Konzertende freigiebig die Setlisten verteilten, setzte in Wiesbaden nun sogar eine Art Schlussverkauf ein: Ein als Bühnendeko genutzter Editors-Schal und ein Plektrum waren bereits während des Konzerts ins Publikum geflogen, nun folgten auch noch zahlreiche Drumsticks, weitere unbenutzte Plektren und Dutzende von Setlisten - ein bisschen fragten wir uns, ob gleich auch die Gitarren verschenkt werden würden, aber so weit kam es dann doch nicht.

Als Fazit kann ich sagen, dass keiner der beiden Editors-Abende ein absolut optimales Konzert war. Dennoch, und obwohl sich speziell Tom Smiths Gestik und Mimik natürlich extrem wiederholten, fühlten sich für mich die beiden Auftritte weniger "eingeübt" an als der von Woodkid. Das liegt aber sehr wahrscheinlich an mir selbst. Musikalisch bin ich mit der Band nun wieder mehr im Reinen, als ich das nach der Veröffentlichung der U2-inspirierten Single "A ton of love" für möglich gehalten hätte.


Setliste:

Sugar
Someone says
Smokers outside the hospital doors
Bones
Eat raw meat = blood drool
Two hearted spider
You don't know love
All sparks
Formaldehyde
A ton of love
Like treasure
An end has a start
Bullets
In this light and on this evening
The phone book (acoustic)
No sound but the wind (acoustic)
Munich
The racing rats
Honesty

Bricks and mortar 
Nothing
Papillon

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