Neulich als Jonah zurückkam: Jonah Matranga in Montabaur

by - Oktober 10, 2015


Man kann nun nicht gerade behaupten, dass wir schon Massen von Wohnzimmerkonzerten veranstaltet hätten. Letztes Jahr gab es vier, dieses Jahr nur zwei - und wir haben bereits Oktober. Um so ungewöhnlicher wirkt vielleicht die Entscheidung, einen Künstler aus dieser überschaubaren Gruppe zum zweiten Mal einzuladen. Aber der Abend mit Jonah im letzten Jahr lag allen Beteiligten in bester Erinnerung, der Künstler selbst wollte gerne kommen...  es ließen sich also wenig Gegenargumente finden.

Nachdem wir Jonah bereits am Sonntag in Koblenz wieder gesehen hatten, erreichte er die Szenemetropole Montabaur bereits am Nachmittag des Auftrittstages. Blöderweise musste ich ein wichtiges, langes, berufliches Telefonat führen, so dass ich den armen Sänger zunächst mit einem Glas Wasser und dem WLAN-Passwort abspeiste, womit er sich recht zufrieden auf der Couch niederließ. Nachdem wir Jonah bereits zweimal ausschließlich ohne Schuhe gesehen hatten, er bei der aktuellen Tournee aber selbst mit einem Mietwagen herumfuhr, war ich im Vorfeld gespannt auf sein Schuhwerk gewesen. Aber auch zum Autofahren trug er nur Flipflops, die auch direkt hinter der Wohnungstür abgelegt wurden.


Als mein Endlostelefonat beendet war, war es schon höchste Zeit, ein Abendessen zuzubereiten, denn die ersten Gäste sollten bereits um 18 Uhr eintreffen. Trotz der Tatsache, dass viele unserer Stammgäste Jonah bereits im Vorjahr gesehen hatten und einige auch ein paar Tage zuvor in Koblenz, rechneten wir mit 20 Konzertbesuchern, was sich später auch als realistisch herausstellte. Zeitlich hatten wir zwar alles nicht so gut geplant, aber da alle Gäste von sich aus später erschienen waren, als eingeladen, funktionierte der zeitliche Ablauf dennoch sehr gut.

Jonah hatte uns vorab um eine kaputte, aber saubere Socke gebeten, um sein frisches Tattoo, das wir bereits seit seines Koblenzer Auftritts kannten, abzudecken, und auch eine meiner zahlreichen nach dem Waschen plötzlich einzelnen Socken bekommen. Er trug sie nun zurecht geschnitten als Armbinde, die gut zu seinem schwarzen T-Shirt mit den Vornamen der Fugazi-Bandmitglieder passte. Anders als in Koblenz wollte er auch gerne für seinen Auftritt einen Stuhl haben - vielleicht, weil unser großer Vorrat an Schul-Aula-Stühlen recht offensichtlich war.


Anders als beim ersten Montabaurer Konzert hatten wir Jonah unsere geliehene Verstärker-Mikro-Mischpult-Anlage gar nicht erst angeboten, da er in Koblenz eindrucksvoll demonstriert hatte, dass er auch ohne technische Hilfsmittel ziemlich laut sein kann.

Auch an diesem Abend war Jonah in Erzähllaune, unterbrach gerne einmal ein Lied, um eine längere Geschichte zu platzieren und war sehr offen für Publikumswünsche, nachdem er das Set aufgrund unseres nachmittäglichen Gesprächs mit zwei neuen Songs ("Enough", "For Someone Who's Gone") eröffnet hatte. Bei letztgenanntem ermunterte er uns zum Mitsingen, indem er erklärte, dass es, wenn alle, die einen kleinen Wunsch zum Mitsingen verspürten, dies einfach täten, es für den einzelnen viel weniger peinlich sei. Die Wünsche kamen hauptsächlich von ein und demselben Gast und führten die Setliste mehrfach in düsterere und traurige Gefilde (etwa "Hostage") - was aber gar nicht heißt, dass das schlecht war. Die stilistischen Kontraste zwischen den unterschiedlichen Bandphasen des Künstlers wurden nur noch deutlicher als zuvor.


In der Vorbereitung des Konzerts hatte mein Freund mit Hilfe der Website Rasterbator ein gigantisches Bild des Star Wars-Helden R2D2 ausgedruckt, das er mühevoll aus 49 DIN A4 Seiten zusammengeklebt hatte. Das Projekt diente als Ersatz für den R2D2-Pappaufsteller, den wir im Vorjahr als Deko-Objekt verwendet hatten, und den wir nicht schon wieder einsetzen wollten. Jonah hatte das Bild gleich bei seinem Eintreffen entdeckt und auch ein Selfie damit aufgenommen. Während des Konzertes erklärte er allerdings zu "Smile", dass seine Verbindung zu R2D2, die sich durch Albencover und Merchandise zieht, eher zufällig sei, weil er einst einen R2D2 Kassettenspieler vom Flohmarkt besessen habe, auf dem er das Roboter-Gedudel für den Instrumentalteil dieses Songs abgespielt sei - das Gerät sei aber mittlerweile kaputt, er bekäme nun jedoch immer wieder neue R2D2-Artikel geschenkt.

Jonah erzählte auch, dass er bei seinem ersten Konzert in Montabaur erstmals während eines Auftritts eine Pause gemacht habe, das damals etwas seltsam gefunden habe, aber mittlerweile richtig gut finde. Davor spielte er noch Radioheads "Fake Plastic Trees", weil er meinte, unser Wohnzimmer erfordere diesen Song. Ich hoffe, das hatte irgendwelche musikalische Gründe, denn der Text des Liedes ist eigentlich nichts, mit dem man in Verbindung gebracht werden möchte.


In der Pause erzählte er meinem Freund dann, dass unser Wohnzimmer eine interessante Klangresonanz habe, wenn er lautere Stellen sänge. Wir haben dann sicherheitshalber vor dem zweiten Teil die vorher gekippten Fenster geschlossen - aus Furcht, die gute Resonanz könnte die Nachbarn verärgern, wenn die Schwingungen auch die andere Hälfte unseres Doppelhauses erreichten.

Die zweite Hälfte des Konzertes eröffnete er, wie schon beim letzten Mal, mit "Deafening" - dieses Mal hatte Jonah nicht extra in der Pause proben müssen, um diesen sonst offenbar selten live gespielten Song vortragen zu können. Kurz danach folgte eine Art Song-Polonaise, in der er ohne Pause "Aeroplanes", "Every Mistake" und "Sweet Life" spielte.  Dann unterbrach er kurz und erklärte, die beiden letzten Songs beruhten auf denselben Akkorden, nur seien sie im einen schnell und im anderen langsam. Anschließend stimmte er "Kiss" von Prince an, das ebenfalls auf denselben Akkorden beruht und bei dem es sich auch anfühle, als habe er es geschrieben (und dass es das beste Lied überhaupt sei).

Nach "Livin' Small", in dem es textlich darum geht, dass Jonah damit zufrieden ist, kein reicher Rockstar zu sein, erzählte er uns, dass ihn, kurz, nachdem er diesen Song geschrieben habe, Coca Cola kontaktiert habe und für die Nutzung des Songs "Lukewarm" in einer Sommerwerbekampagne erst 75.000 und schließlich 150.000 Dollar geboten habe. Letztlich habe er sich aber nicht entschließen können, das Angebot anzunehmen. Danach durften wir uns natürlich auch noch "Lukewarm" anhören.


Weniger als Zugabe denn als "Lullaby" bekamen wir abschließend noch "Tides" zu hören, wobei der Hinweis, wir bräuchten nach diesem Lied nicht klatschen, es würde reichen, wenn es schön ausklingt, nicht ernst genommen wurde. Aber mit Applaus war das Ende auch schön, und wie beim letzten Mal verbrachte Jonah noch einige Zeit damit, mit Besuchern zu sprechen, CDs (und seine letzte Picture Disc) zu verkaufen und einige Gäste zu umarmen. Er stellte überrascht, aber auch begeistert fest, dass er den Auftritt als völlig anders als den in Koblenz empfunden hatte, was vermutlich alle, die beide erlebt hatten, so sahen.

Am nächsten Morgen musste ich bereits früh nach Frankfurt fahren. Mein Freund dagegen hatte frei und somit Zeit, mit Jonah, der bei uns übernachtet hatte, zu frühstücken. Dabei sah Jonah auch meine Konzertberichte zu den vorherigen Konzerten an und freute sich darüber, dass die Setlisten, die er sich nicht im Detail gemerkt hatte, so wenig Überschneidungen aufwiesen - sowohl miteinander als auch mit dem Vorabend.


Außerdem spielte der Sänger meinem Freund eine Demoversion des neuen Liedes "Enough" vor und erzählte unter anderem, dass er an einem Buch arbeite. Wenn er sich nun erst einmal um seine literarische Karriere kümmert, entspricht die Textzeile des am Vorabend zuletzt gespielten Liedes "Tides", "This time next year I won't be here", vielleicht der Realität. Aber zur Not kann er bei uns ja auch eine Lesung veranstalten.


Setliste:

Enough
For someone who's gone
Smile
Your will
Hostage
Girl
Full of wonder
At Night we live
Bitte ein Kuss
Fake plastic trees (Radiohead Cover)

Deafening
Waiting For Sunday
Aeroplanes
Every mistake
Sweet life
Kiss (Prince Cover)
Livin' small
Lukewarm

Tides

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